Vorsicht, Vorurteilsgefahr!

Migranten? Das sind doch diese armen Schlucker, die uns unsere Arbeitsplätze wegnehmen wollen, oder?

Wörter wie „Migrant“ werden in den Medien in bestimmten Kontexten benutzt, und diese Kontexte bestimmen zum Teil ob die Wörter positiv oder negativ aufgenommen werden. Und dies, obwohl „Migrant“ eigentlich ein sehr neutraler Begriff ist. Wie die Begriffe in den Medien benutzt werden, kann auch einen Einfluss darauf haben, wie wir diese Menschen sehen. Werden die Migranten z.B. als Menschen vorgestellt, die nur in unsere Länder kommen, um uns die Arbeitsplätze wegzuschnappen oder von unserem Sozialsystem zu profitieren, kann das einen Einfluss darauf haben, wie wir die Migranten wahrnehmen und dies kann Vorurteile schaffen.

Du kannst ja ein kleines Experiment machen, und Leute aus deinem Umfeld fragen was sie unter „Migrant“ verstehen. Gibt es einen Unterschied zwischen den Antworten, die du erhalten hast und den Erklärungen in der Rubrik Migrationen?

Der Migrator. Auch der aus Österreich stammende Arnold Schwarzenegger ist ein Migrant.

Der Migrator. Auch der aus Österreich stammende Arnold Schwarzenegger ist ein Migrant.

Eine weitere Frage, die wir uns stellen können ist: Warum werden Europäer, die in afrikanische Länder auswandern oder ein amerikanischer Bankier, der in Luxemburg arbeitet als « Expatriates » bezeichnet, und nicht als Migranten?

In vielen Fällen ist der Begriff „Migrant“ mit Vorurteilen behaftet. Ein Vorurteil bedeutet, dass ein Urteil über einen Menschen gefällt wird, ohne dass man ihn kennt. Wir müssen versuchen uns unseren Stereotypen und Vorurteilen gegenüber anderen bewusst zu sein, um zu vermeiden, dass wir sie vorverurteilen.

Hier sind zwei Beispiele von Vorurteilen gegenüber Migranten und Erklärungen, weshalb sie nicht stimmen.

Die armen Menschen aus den Entwicklungsländern kommen zu uns und nehmen mir meinen Arbeitsplatz weg!

Es sind nicht die ärmsten Menschen die migrieren, denn dazu bedarf es einiges an finanziellem Aufwand. Die ganz armen Menschen migrieren meist in Fällen von Krieg und Vertreibung, also wenn sie gezwungen werden. Häufig ziehen sie in die nahe Umgebung und nicht unbedingt über die Landesgrenzen hinweg. Diejenigen, die aus finanziellen Gründen migrieren, ziehen eher in die Großstädte im eigenen Land, als zu uns. Das führt zu anderen Problemen, wie zum Beispiel der Entstehung von Slums in den Städten.

Es gibt eine Verbindung zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung eines Landes und dem Maß an Ein- und Auswanderung die es erfährt. Es ist kein Zufall, dass Länder wie Indien, die Philippinen, Mexiko oder Marokko die größten Auswanderungsländer sind. Sie gehören nicht zu den ärmsten der Welt. Die Menschen in diesen Ländern sind wandern aus, weil sie es sich aufgrund des wirtschaftlichen Aufschwungs leisten können.

Die Schmarotzer kommen doch nur, um von den Sozialsystemen zu profitieren!

In Europa sorgen viele Staaten dafür, dass auch die ärmsten Menschen genug zum Überleben haben. Sie bekommen zum Beispiel Geld vom Staat, auch wenn sie keine Arbeit haben, oder werden bei der Miete für ihre Wohnung unterstützt. Diese Staaten werden Sozial- oder Wohlfahrtstaaten genannt. Seit es den Wohlfahrtsstaat gibt, gibt es auch Menschen, die versuchen möglichst viel davon zu profitieren. Das ist also nichts Neues.

Manche Menschen sehen diese sozialen Systeme durch die Migranten bedroht. Sie glauben, dass diese Menschen nur in ihr Land kommen, um von diesen Leistungen zu profitieren. Das stimmt jedoch in den meisten Fällen nicht, denn die Migranten zahlen mehr in die Kassen ein, als dass sie rausziehen. Die Migranten tragen also dazu bei, dass der Staat die Renten unserer Großeltern bezahlen kann.

Ein Teil der internationalen Migration ist daher von den Nationalstaaten so gewollt. Die Industrieländer in Europa, Amerika und Asien sind auf Arbeitsmigranten angewiesen, um ihre Wirtschaft und Sozialsysteme am Laufen zu halten. Die Staaten streiten sich regelrecht darum, die hochqualifizierten Migranten zu sich zu locken. Doch auch unqualifizierte Arbeiter sind gern gesehen, denn sie sind bereit in Bereichen zu arbeiten, wo ein Mangel an Arbeitskräften besteht, wie zum Beispiel die polnischen Arbeiter, die in der Landwirtschaft in Großbritannien arbeiten.

Auch die ungewollte Migration ist nicht immer so ungewollt, wie sie von den Regierungen nach außen dargestellt wird. Denn vor allem die Unternehmen profitieren von billigen Arbeitskräften, die keine Rechte haben. Daher wird diese Art der Migration von vielen Regierungen geduldet oder sogar gefördert, da es der eigenen Wirtschaft zugute kommt. In der Ausstellung „Bitter Oranges“ von Carole Reckinger, Gilles Reckinger und Diana Reiners, wird erklärt wie hilflose Einwanderer aus afrikanischen Ländern ausgenutzt werden, damit die Orangen aus Kalabrien zu einem möglichst niedrigen Preis in unseren Supermärkten verkauft werden können.